Im Rahmen von Beratungs- und Testgesprächen ist es wichtig, möglichst viele relevante Informationen in kurzer Zeit zu erheben, um die bestmögliche Arbeit zu leisten. SURE erleichtert dank dem Fragebogen diese Arbeit. Die Fragen in SURE sind vielfach erprobt und teilweise validiert.

Version vom 23. Oktober 2025, erarbeitet von Florian Vock (Aids-Hilfe Schweiz), Prof. Dr. med. Urs Hepp und Sämi Wespi (S&X Zentralschweiz).

Neben Fragen zur soziodemografischen Ausgangslage und zum sexuellen Verhalten sind auch die psychische Gesundheit sowie Alkohol- und Substanzkonsum von Interesse. Denn bei Screening-Fragebogen geht es darum, möglichst wenige Betroffene zu verpassen. SURE erlaubt es nicht, eine Diagnose zu stellen. Die Antworten geben aber Hinweise auf psychische Belastungen oder problematischen Umgang. Im Rahmen der kurzen Beratungen kann keine vertiefte Abklärung oder Behandlung erfolgen, aber Klient:innen können an weiterführende Abklärungs- oder Hilfsangebote verwiesen werden.

Eine Beratung beginnt sinnvollerweise mit einem standardisierten Einstieg, der die massgeblichen Informationen vermittelt. Die Beratung verläuft entlang des Fragebogens, anschliessend wird gemeinsam entschieden, welche Tests durchgeführt werden sollen. Zentrale Elemente jeder Beratung sind:

  • Begrüssung, Vorstellung und Klärung der eigenen Rolle
  • Vorstellung der Beratungsstelle und des Auftrages
  • Information über Inhalte der Beratung, der verfügbaren Zeit und der Kosten
  • Hinweis auf die Vertraulichkeit der Beratung
  • Erklärung Testverfahren und Testfristen, Information über Resultateübermittlung
  • Information über Vorgehen bei negativen und positiven Resultaten, insbesondere Behandlungsmöglichkeiten, Partner:innen-Information und Nichtübertragbarkeit von HIV unter Therapie

Fragen zur Testmotivation

Der Fragebogen eröffnet und schliesst mit je einer Frage zum Grund des Kommens. Damit kann die unmittelbare Triage sichergestellt werden (z. B. zur HIV-PEP) und es wird möglich, dass Fragen, die sich Klient:innen nicht getrauen, mündlich zu stellen, gestellt werden können. Es ist sehr wichtig, diese beiden Fragen in jedem Falle anzusprechen, um die Testmotivation anzuerkennen und darauf zu reagieren.

Fragen über die Person

Es werden 9 sozio-demografische Fragen gestellt. Damit werden Alter, Wohnort, Bilungsabschluss, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung sowie weitere Faktoren erhoben. Einige davon sind für die Beratung von grosser Bedeutung. Andere Fragen haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Beratung. Sie sind aber sehr wichtig, um anonymisierte statistische Auswertungen machen zu können.

Es ist wichtig, den Klient:innen bei Unsicherheit zu erklären, wofür diese Daten erhoben werden, wie ihre Anonymität geschützt ist und warum es wichtig ist, dass sie diese Informationen angeben. Durch die Erhebung des Bildungsabschlusses beispielsweise können wir feststellen, ob wir mit unseren Angeboten nur bestimmte soziale Klassen erreichen. Das hat Einfluss auf unsere weitere Arbeit.

Fragen zur sexuellen Gesundheit

Die 12 bzw. 13 Fragen zur sexuellen Gesundheit dienen dazu, die nötigen Informationen zu sammeln, um entlang dem Leitfaden Safer Sex die korrekten Empfehlungen bezüglich Impfen, Schützen, Testen und Behandeln machen zu können. Abgefragt werden Anzahl und Geschlecht der Sexpartner:innen, sexuelle Praktiken sowie Schutz- und Testverhalten. Menschen mit und ohne HIV erhalten unterschiedliche Fragen. Die Fragen sind sehr intim. Wichtig ist, eigene Kompetenzgrenzen zu kommunizieren, Verhalten nicht zu bewerten oder unnötig nach weiteren Details zu fragen.

Nicht abgefragt wird der Impfstatus. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen nicht genau wissen, wogegen sie geimpft sind. Diese Information muss im Beratungsgespräch gemeinsam erhoben werden.

Fragen zur psychischen Gesundheit

Der Abschnitt wird mit der Frage zur sexuellen Zufriedenheit eröffnet. Gibt jemand an, unzufrieden zu sein, sollte das in der Beratung angesprochen werden. Damit wird der Raum eröffnet, um über Sexualität, sexuelles Begehren und sexuelle Erfahrungen zu sprechen. Es geht nicht um Sexualberatung, sondern um Triage an ein internes oder externes Angebot.

Die Frage zur sexuellen Gewalterfahrung fokussiert auf die subjektive Belastung. Viele Klient:innen, besonders sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, haben unerwünschte oder belastende sexuelle Erfahrungen gemacht oder wurden Opfer sexueller Gewalt, gerade auch im Gesundheitswesen. Es geht bei dieser Frage nicht um eine Erhebung der Erfahrung, sondern nur der momentanen Belastungssituation. Wenn die Frage nach belastenden sexuellen Kontakten bejaht wird, muss das angesprochen werden. Im Rahmen der Beratung kann keine umfassende Hilfe angeboten werden. Neben internen Angeboten können Betroffene an Opferhilfestellen weitergeleitet werden, wo sie neben psychosozialer auch rechtliche Beratung erhalten. Diese Beratung ist kostenlos, vertraulich und anonym. Daneben gibt es eine Vielzahl regionaler Unterstützungsangebote für bestimmte Schlüsselpopulationen. Jede Teststelle sollte die entsprechenden Angebote kennen und vermitteln können. Berücksichtigt werden muss dabei, dass viele Menschen Angst vor staatlichen Behörden wie der Polizei haben.

Es folgen vier Fragen zu Depression und Angst. Depressionen und Angststörungen sind die zwei häufigsten psychischen Störungen. In SURE wird der validierte PHQ-4-Fragebogen eingesetzt. PHQ-4 besteht aus je zwei Fragen zu Depression und Angst, die je auf einer Skala von 0 bis 3 bewertet werden können. Das Gesamt-Resultat des PHQ-4 kann somit 0 bis 12 Punkte erreichen. Eine Wert ab 6 Punkten spricht für eine deutliche psychische Belastung und sollte in der Beratung angesprochen werden. Bei Bedarf können Betroffene an weiterführende Beratungsangebote hingewiesen werden.

Fragen zu Alkohol- und Substanzkonsum

Der Abschnitt wird mit der Frage zur Konsum-Zufriedenheit eröffnet. Damit wird zur Selbstreflexion eingeladen. Gibt jemand an, mit seinem Konsum unzufrieden zu sein, sollte das in der Beratung angesprochen werden. Falls jemand sehr zufrieden ist mit seinem Konsum, aber beim nachkommenden CAGE-AID problematische Werte aufweist, kann auch diese Dissonanz angesprochen werden.

Der Hauptteil besteht aus dem CAGE-AID-Fragebogen. Er ist ein seit vielen Jahren bewährtes Instrument. Die vier Fragen zu Alkohol- und Substanzkonsum können mit Ja oder Nein beantwortet werden. Jede mit Ja beantwortete Frage wird mit 1 Punkt bewertet. Ab 2 Punkten ist eine Abhängigkeit wahrscheinlich und sollte in der Beratung angesprochen werden. Bei Bedarf können Betroffene an Angebote verwiesen werden.

Suizidalität

Der Fragebogen enthält keine expliziten Fragen zur Suizidalität. Wenn das Thema psychische Belastung aufkommt, kann es auch sinnvoll sein, das Thema Suizidalität anzusprechen. Es ist nicht gefährlich, jemanden auf Suizidgedanken anzusprechen. Durch das Ansprechen werden keine suizidalen Handlungen getriggert. Falls Suizidgedanken bejaht werden, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und gut zu hören. Die Erwartung ist nicht, dass im Rahmen des Beratungsgesprächs selbst direkte Hilfe angeboten wird. Betroffenen sollte professionelle Hilfe angeboten oder vermittelt werden, wenn sie das wünscht.

Wie spreche ich Suizidgedanken konkret an?

  • Wunsch nach Veränderung: "Haben Sie in letzter Zeit daran gedacht, dass Sie so nicht mehr leben wollen?"
  • Todeswünsche: "Haben Sie daran gedacht, dass Sie sterben wollen?"
  • Suizidideen: "Ist Ihnen der Gedanke gekommen, sich etwas anzutun?"
  • Suizidpläne: "Haben Sie konkrete Pläne, sich etwas anzutun?"

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