Chemsex-Symposium: Wir sind nicht am Ziel

Am Internationalen Chemsex-Symposium, das am Tag vor der offiziellen Konferenz stattgefunden hat, wurde festgestellt: viel erreicht, viel zu tun. Weiterhin gilt: Wer die subkulturell geprägte Sexualität nicht mitdenkt, sondern nur an Substanzen denkt, verpasst bei Chemsex das Phänomen und kann keine guten Angebote machen.

Seit der Sichtbarwerdung des Phänomens vor gut 15 Jahren haben es Community-basierte Strukturen geschafft, Angebote in Prävention, Harm Reduction, Beratung und Therapie zu etablieren. Auf diese Pionierphase müssen vertieft Forschung, Therapie und Nachsorge sowie eine bessere Verknüpfung der Versorgungssysteme folgen – das zeigten die zahlreichen Beiträge an der Tagung, darunter ein Vortrag von Florian Vock der Aids-Hilfe Schweiz zu Harm Reduction.

Rusty Souleymnaov, Professor für soziale Arbeit, Universität Manitoba, bezeichnet Chemsex zurecht als ein Phänomen mit vielen Möglichkeiten der Interpretation: Chemsex ist ein psychosoziales Thema, eine subkulturelle Praxis, eine Reaktion auf Diskriminierung und Stigma, Spielform des Lebens oder Ausdruck eines Begehrens. Seine Studie zeigte, dass sich gerade jene Konzepte in die sexuellen Drehbücher der Männer eingeschrieben haben, die sexuell und substanzbezogene Risiken sind. Gerade, was normativ verboten, gesellschaftlich verpönt, nüchtern undenkbar ist, wird im Chemsex-Kontext zum Begehren. Diese empfundene Lust ist darum auch ein zentrales Element, um risikoreiche Praktiken zu rationalisieren und begründen.

Maxime Blanchette, Sozialarbeiter in Montréal, betonte denn auch, dass neben der Verbesserung Gesundheitsversorgung auch intra-community Aspekt besonders diskutiert werden müssen: Fragen von Konsens und sexueller Gewalt, Psychische Gesundheit, aber auch soziale Normen, die eine Wirkung auf den Konsum haben. Viele Männer haben starke Selbsteinschätzungen und Fremdzuschreibungen, wie wichtig Substanzen für die Zugehörigkeit zur Szene sind. Doch es ist eine grosse Herausforderung, in der Community die dazu dringend nötigen Diskussionsräume zu schaffen. Als Fachpersonen können wir in Beratung und Therapie diese Beziehung zwischen Individuum und Community diskutieren – was sind die Motivatoren des Konsums? Was ist der Antreiber, um diese Sexualität zu leben?

Diese Reflexionsarbeit kann auch im Setting der Selbsthilfe geleistet werden. Die Deutsche Aidshilfe hat ein Manual entwickelt und bietet Weiterbildungen an, die auch in der Schweiz realisiert werden könnten.

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