Wie britische Gesetze aus der Kolonialzeit den Kampf gegen HIV in der Karibik und in Lateinamerika erschweren

Hon. Justice Adrian Saunders, Präsident des Caribbean Court of Justice, Trinidad und Tobago, und Genroy Murray von Equality for All, Jamaika, erklären, warum das so ist: Die ehemaligen britischen Kolonien bekamen, als sie in die Unabhängigkeit von Grossbritannien entlassen wurden, eine sogenannte «savings clause» in ihre Gesetze geschrieben. Diese besagt, dass Gesetze aus der Kolonialzeit zukünftig in der Auslegung durch die Gerichte nicht als gegen die (aktuelle oder zukünftige) Verfassung des unabhängigen Staates erklärt werden dürfen.

Patricia Gründler, Aids-Hilfe Schweiz

Beispiel Jamaika: In der Verfassung steht – nicht in diesem Wortlaut, aber das ist die Idee – dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Nun gibt es aber Gesetze aus der Kolonialzeit, die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern («Sodomie») für illegal erklären. Gelangt ein Verfahren an das oberste Berufungsgericht – den Caribbean Court of Justice – ist es für die Richter:innen dort unmöglich, zu erklären, dass das britische Gesetz inzwischen verfassungswidrig ist. Dies, obwohl die Verfassung Jamaikas seit der Unabhängigkeit reformiert und modernisiert wurde.

Britische Überseegebiete wie z.B. die Bermudas oder die Turks- und Caicosinseln unterstehen hingegen nicht der Gerichtbarkeit des Caribbean Court of Justice sondern des Privy Court, welcher in London angesiedelt ist. Höchstinstanzliche Fälle gelangen also dort hin. Und der Privy Court bestätigt die kolonialen Gesetze regelmässig – und damit die Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen. Dies erschwert selbstverständlich den Kampf gegen HIV. Denn eine befreite Sexualität lässt sich schlecht leben, wenn man durch sogenannte «Sodomie»-Gesetze gebrandmarkt wird.

So bestehen queer-feindliche Gesetze aus der europäischen Kolonialzeit in den ehemaligen Kolonien sowie in europäischen Überseegebieten fort. Es ist einfach, Europa «fortschrittlich» im Umgang mit Minderheiten zu nennen und Länder der «Dritten Welt» für ihren Umgang mit sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten zu tadeln, wenn man vergisst, wer diese Diskriminierungen ursprünglich befeuert hat.

Mehr dazu gibt es hier zu lesen:

https://www.counselmagazine.co.uk/articles/lgbti-rights-the-privy-council

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