Pornografie – rechtliche Berührungspunkte : Aids-Hilfe Schweiz

Pornografie – rechtliche Berührungspunkte

Pornografie ist allgegenwärtig und jederzeit verfügbar. Gleichzeitig ist sie immer noch stark tabui­siert. Wer an Pornografie denkt, hat in erster Linie anderes als deren rechtliche Dimension vor dem geistigen Auge. Dabei weist Pornografie unweigerlich Berührungspunkte mit dem Recht auf. Namentlich dem Strafrecht kommt in Bezug auf sie eine wichtige Rolle zu, definiert es schliesslich das normative Spielfeld für pornografische Inhalte. Auch wenn Recht und Moral zwei Paar Schuhe sind, fliessen bei der rechtlichen Würdigung von Pornografie ethisch-kulturelle, moralische wie auch zeitgeschichtliche Wertungen untrennbar hinein. Vor diesem Hintergrund vermag es kaum zu erstaunen, dass in vielen Ländern Pornografie immer noch verboten ist.

MARCO SCHOCK | Juli 2021

Pornografie und Recht

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es Pornografie längst vor den Anfängen des Films gab. So ist die Existenz pornografischer Texte und Darstellungen bereits in der Antike belegt. Im 18. Jahrhundert erfreuten sich literarische oder gezeichnete pornografische Werke grösserer Beliebtheit und verfügten nicht selten auch über eine politisch-philosophische Dimension. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in der Schweiz sodann Zensurversuche obszöner Texte. Eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Pornografie bildete namentlich die Entwicklung der Fotografie. Mit ihr konnten sexuelle Handlungen abgebildet und die fotografischen Erzeugnisse vervielfältigt und verbreitet werden, was letztlich auch zu einer ersten Kommerzialisierungswelle von Pornografie führte. Sowohl Sittlichkeitsbewegungen wie auch abolitionistische Strömungen übten gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen immer stärker werdenden Druck aus. Im Jahr 1911 ratifizierte der Bundesrat schliesslich das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen. Im Jahr 1942 trat das einheitliche Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) in Kraft. Dieses statuierte in Art. 204 das «Verbot der unzüchtigen Veröffentlichung». Mit der Revision des Strafgesetzbuches im Jahr 1992 wurde diese Bestimmung gestrichen und folglich dem Zeitgeist mit seinen «liberaleren» Moralvorstellungen Rechnung getragen. So gilt Pornografie seither nicht mehr per se als obszön, unzüchtig und deswegen als strafwürdig. Diese Auffassung begründete zudem die bis heute geltende Dichotomie der «weichen» und «harten» Pornografie.

Heute ist Pornografie primär Regelungsmaterie des Sexualstrafrechts. Nicht vergessen werden darf aber, dass Pornografie als Produkt und Konsumgut durchaus auch andere Rechtsgebiete wie namentlich das Immaterialgüterrecht (Urheberrecht), das Personenrecht (zivilrechtlicher Schutz der Persönlichkeitsrechte von Pornodarsteller_innen) wie auch das Obligationenrecht (Vertragsschluss beim Kauf von Pornografie, Verträge mit Pornodarsteller_innen usw.) betrifft.

Beim Umgang mit Pornografie verfolgt das Schweizer Strafrecht primär den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Es soll gewährleistet werden, dass sie als vulnerable Personen besonderen Schutz erfahren und in ihrer Integrität nicht verletzt werden, eine gedeihliche Entwicklung nehmen können und kein verzerrtes Bild von Sexualität erhalten.

Im Umgang mit Pornografie verfolgt das Schweizer Strafrecht primär den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Es soll gewährleistet werden, dass sie als vulnerable Personen besonderen Schutz erfahren und in ihrer Integrität nicht verletzt werden, eine gedeihliche Entwicklung nehmen können und kein verzerrtes Bild von Sexualität erhalten. Überdies existiert ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Konsens, dass bestimmte Darstellungen von Sexualität für niemanden zugänglich sein sollen, da bereits ihre Herstellung nicht nur ethisch-moralisch verwerfliche, sondern auch strafbare Handlungen erforderlich macht. Hierbei sollen nicht nur die sexuelle Selbstbestimmung und die physische, psychische und sexuelle Integrität der Darstellenden geschützt werden, sondern letztlich auch die Würde der Betrachtenden.

Weiche und harte Pornografie

Bei der Frage der Strafbarkeit von Pornografie muss als Erstes eine Trennlinie zwischen sogenannt weicher und harter Pornografie gezogen werden. Weiche Pornografie ist im Gegensatz zu harter Pornografie grundsätzlich erlaubt. Der Begriff «weich» ist sodann aber irreführend, denn die weiche Pornografie entspricht in einem beträchtlichen Umfang dem, was gemeinläufig als Hardcore bezeichnet und gesellschaftlich unter Porno verstanden wird. Bei der weichen Pornografie handelt es sich um Darstellungen und Darbietungen, die sexuelles Verhalten aus seinen menschlichen Bezügen heraustrennen und dadurch vergröbern und aufdringlich wirken lassen können. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt weiche Pornografie namentlich vor, wenn die Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen herausgetrennt wird, dass die dargestellte Person als ein reines Sexualobjekt erscheint, sich die Darstellungen auf den Genitalbereich konzentrieren und diese der sexuellen Aufreizung dienen.

In Bezug auf die weiche Pornografie sieht das Strafgesetz einen Jugendschutztatbestand in Art. 197 Abs. 1 StGB vor. Gemäss diesem ist strafbar, wer pornografische Schriften, Darstellungen und Gegenstände Personen unter 16 Jahren zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet. Ergänzend statuiert Art. 197 Abs. 2 StGB, dass Personen über 16 Jahren vor der ungewollten Konfrontation mit pornografischem Material geschützt werden sollen.

In der Schweiz verboten, da unter den Tatbestand der harten Pornografie fallend, sind: tatsächliche oder nicht tatsächliche sexuelle Darstellungen mit minderjährigen Personen; sexuelle Darstellungen mit Tieren; sowie sexuelle Darstellungen, die Gewalttätigkeiten beinhalten.

In Art. 197 Abs. 4 und 5 StGB ist sodann der Umgang mit harter Pornografie geregelt. Das Schweizerische Strafgesetzbuch benennt hierbei drei Formen von Pornografie, die verboten sind, um einerseits in generalpräventiver Weise deren Nachahmung zu verhindern und andererseits die Rechtsgüter potenzieller Darsteller_innen zu schützen, aber auch den Betrachtenden Schutz vor möglicherweise traumatisierenden Konsumerlebnissen zu bieten. In der Schweiz verboten, da unter den Tatbestand der harten Pornografie fallend, sind: tatsächliche oder nicht tatsächliche sexuelle Darstellungen mit minderjährigen Personen; sexuelle Darstellungen mit Tieren; sowie sexuelle Darstellungen, die Gewalttätigkeiten beinhalten. In Bezug auf Letztere darf nicht unerwähnt bleiben, dass Darstellungen einvernehmlicher sadomasochistischer Praktiken in der Regel nicht verboten sind. Zur Anzeige gebrachte Darstellungen mit Gewalttätigkeiten unterstehen der freien richterlichen Würdigung und bedürfen schliesslich einer einzelfallbezogenen Prüfung.

Für die Erfüllung des Tatbestandes des Konsums harter Pornografie ist es im Übrigen nicht notwendig, dass die Datei mit dem harten pornografischen Material heruntergeladen und abgespeichert wird. Strafbar kann bereits das reine Betrachten harter Pornografie im Internet sein. Hierbei gilt aber festzuhalten, dass nicht jedes zufällige Treffen auf ein entsprechendes Bild oder Video bereits strafbar ist. Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Strafbarkeit relevant, ob die beschuldigte Person gezielt nach harter Pornografie gesucht hat, in welchem Kontext das Bild- oder Videomaterial gezeigt wird und welche Intensität der Konsum der illegalen Inhalte in quantitativer und qualitativer Hinsicht aufweist. Gemäss Bundesgericht gelten Suchbegriffe wie «teen porn» hierbei schon als Indiz für ein illegales Verhalten. Diese Auffassung stiess in der Rechtswissenschaft auf Kritik. Es wurde vorgebracht, dass zumindest mitberücksichtigt werden müsste, welche Websites die beschuldigte Person aufgerufen habe und wo sie zum Beispiel nach «teen porn» gesucht habe. Demnach bestehe ein Unterschied, ob die beschuldigte Person eine einschlägige Website aufgerufen habe, auf der pädophile Straftäter verbotenes Material anbieten, oder ob eine Website angewählt wurde, deren Nutzungsbedingungen festhalten, dass ausschliesslich rechtskonformes Material mit erwachsenen Darstellenden zur Verfügung gestellt werde. Während in der ersten Konstellation alles dafürspreche, dass die beschuldigte Person harte Pornografie konsumieren wollte, liessen sich bei der zweiten Gesamtlage die Indizien gegen den Vorsatz auf den Konsum harter Pornografie werten.

Schliesslich gelten nach Art. 197 Abs. 9 StGB Gegenstände oder Vorführungen dann nicht als pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben. Bei der Frage der Schutzwürdigkeit und des Vorliegens eines kulturellen oder wissenschaftlichen Werts kommt es schliesslich wiederum auf eine einzelfallbezogene Prüfung und freie richterliche Würdigung an. Gerade hier dürfte, da Recht und Moral untrennbar diffundieren, der Wertehaltung und der Denkweise der urteilenden Person ein enormes Gewicht zukommen.

Körperflüssigkeiten

Lange Zeit galt die sogenannte Exkrementen-pornografie als Teil der harten Pornografie und war somit verboten. Seit dem Jahr 2014 ist sie aber erlaubt und nunmehr Teil der weichen Pornografie. Somit ist in der Schweiz die Darstellung aller Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen in pornografischen Werken zulässig.

Andere Länder, andere Rechte

In vielen europäischen und nord- wie südamerikanischen Ländern ist, ähnlich wie in der Schweiz, Pornografie von Gesetzes wegen erlaubt, freilich mit einem expliziten Verbot von Kinderpornografie. Es gibt aber nach wie vor viele Länder auf der Welt, in denen Pornografie ganz verboten ist, so insbesondere auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent. Hierbei spielen religiöse Wertvorstellungen, die viele Rechtsordnungen stark durchdringen, eine grosse Rolle.

Fazit

Pornografie ist in einer digitalisierten Gesellschaft ubiquitär. Dieser Umstand bringt nicht nur jederzeit frei verfügbares und stimulierendes visuelles Vergnügen mit sich, sondern geht auch mit allerlei Herausforderungen einher. Im Vordergrund der Rechtsetzung steht primär der Schutz vulnerabler Personen vor Ausbeutung und vor Verletzung ihrer physischen, psychischen und sexuellen Integrität. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollten nicht nur darauf sensibilisiert werden, dass sie Opfer sein können, sondern dass der Umgang mit gewissen pornografischen Erzeugnissen auch strafbar sein kann. In diesem Kontext erweist sich der Erwerb von Medienkompetenzen als zentral für einen effektiven Jugendschutz. Letztlich führt aber kein Weg an früher und umfassender Aufklärung sowie offenen Diskussionen über Sexualität vorbei, sei es im institutionalisierten Rahmen der Schule oder im privaten Umfeld.

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